Fluxus

Was ist Fluxus? Für mich als Bildender Künstler ist es die Hereinnahme von Geräusch, Ton, Musik in mein Werk und hier insbesondere in die große Klammer DADA. Von hier aus werden wir Impulse geben in die Welt der Klangkunst, der Musik. Ich verhalte mich als Maler zum Ganzen der Kunst, wie ein Philosoph zum Ganzen der Wissenschaft. Ich spiele und arbeite immer im Einklang dem malenden Philosophen zu. Der Malerphilosoph kratzt Stradivari und popelt in der Nase mit dem Mikrofon. Sie müssen dazu lachen im Dreivierteltakt und klatschen mit den Füßen.

Oder denken sie dazu, hinein, mit dem Fluxuskonzert No.2. Spielen Gittare, singen Kommentare, trommeln mit den Ohren und lassen ihre Kinder dazu schreien.

»Das Fluxuskonzert No.2«

Komposition mit improvisatorischen Elementen von Rainer Wieczorek, 2007.

Interpretation von Norhiro Misaki (=MN) und Rainer Wieczorek (=WR).

Welturaufführung am 29.3.2007, 20°° Uhr in der »Galerie Raumausstatter«, Fuldastraße 56, Berlin-Neukölln.

Konzert in 10 Sätzen und 5 Melodien

Aufführung mit 3 Abspielgeräten, Melodika 1+2, Mundharmonika, Blechteller mit 2 Gabeln, 2 Blechdosen, verrosteter Soldatenhelm, Kuhglocke, Schlüsselbund, Flöte, Erbsen, Mikrofon und Stimmen

►1. Satz »Musik für eine akademische Viertelstunde, das Publikum konzentriert sich oder wer kann noch zuhören«

mit CD, Tenor: Francesco Tamagno Nr. 14-17 (Verdi, Gordano, Rossini) 1905

mit Tape, WR Atmung ca.15 Minuten Aufnahme, 2007

Die zwei Abspielgeräte bekommen unterschiedliche Raumpunkte zugewiesen, Lautstärke deutlich, aber nicht laut.

►2. Satz »Begrüßung oder dem Humor die Albernheit nehmen«

(ein fiktives Publikum beschimpfen das den Künstlern nicht zuhören will, aber am Ort verweilt und ihren Krach machen)

WR Stimme: Normal bis sehr laut geschrieen

Text: »Sehr geehrte Damen und Herren

Wir begrüßen Sie zum Fluxuskonzert Nummer 2. Norhiro Misaki an der Melodika 1 und 2. Rainer Wieczorek an 3 Abspielgeräten, Kuhglocke, 2 Blechdosen, Schlüsselbund, Mundharmonika, Flöte, Stimme, Gesang, verrostetem Stahlhelm, Blechteller mit 2 Gabeln und Erbsen.

Verehrtes Publikum Sie hören heute eine Welturaufführung, zum ersten und zum letztenmal. Fluxus ist kein Lied – wie Wasser immer anders.

Würden Sie Bitte ihre Handys abschalten, danke, vielen Dank.

Sie nehmen heute an einem ernsten Ereignis teil. Sicherlich sieht es nicht immer so aus. Anhören tut es sich, sagen wir einmal emotional recht unterschiedlich.

Sie da. Genau sie da.

Können Sie Bitte ihre Chipstüte wegpacken.

Dieser krachende Scheißdreck wurde für den Fernsehsessel erfunden.

Wir nehmen heute an einem ernsten Ereignis teil. Es wird nicht immer so aussehen, wie es sich angehört hat.

Müssen Sie jetzt tratschen junge Frau.

Das werden wir alles später begreifen.

Suchen Sie Ihre Zigaretten später.

Kulturbanause.

Fluxus spielt mit Ihren Erwartungen. Bricht die Gewohnheit, Gehörgewohnheiten. Ein bisschen rühren, in der Metapher Stein, der da Mensch sein will...«

►3.Satz »Soldatenlieder« in 5 Melodien

Melodie 1 »Vom großen Schweigen« ( Den Selbstmördern aller Armeen gewidmet ).

WR Stimme: spricht deutlich

Text: »Fluxus gedenke«

Handlung: Es wird eine Minute auf die Uhr geschaut, die Musiker schweigen.

Text: »Das war eine Schweigeminute, im Gedenken an alle Selbstmörder, aller Armeen dieser Welt, aller Zeiten. Sind sie die Avantgarde, demnächst im Jahre Nummerustausend.

Die Armeen bringen sich selber um. Die Metapher des Paradieses ohne Fressen wird konkret.«

Melodie 2 »Vom unsinnigen Schweigen« ( Jakob Michael Reinhold Lenz gewidmet ).

WR Stimme + Gesang

Text: (Buchstaben einzeln singen) » J A K O B M I C H A E L R E I N H O L D

(WR spricht deutlich weiter:) Lenz

»Die Soldaten sind ein scharfes sozialkritisches Gegenwartsdrama. Lenz will die Stände darstellen wie sie sind, nicht, wie sie Personen aus einer höheren Sphäre sich vorstellen.

Lenz entwickelt seine Konzeption vom Volkstheater. Er bezeichnet sich selbst als den stinkenden Atem des Volks und wünscht, dass sein Publikum das ganze Volk sei, er sein Theater unter freiem Himmel vor der ganzen deutschen Nation aufschlagen könne, in dem ihm die unteren Stände mit den oberen gleich gelten. Die pedites wie die equites ehrenwürdig sind. ... Es ist wahr und wird bleiben, mögen auch Jahrhunderte über meinen armen Schädel verachtungsvoll fortschreiten. Amen.«

200

Lenz war Dichter und Reformideengeber für die Monarchie, die hat´s nur nicht interessiert.

Das war und ist Deutschland.

Unsere politische Klasse hat ein monarchistisches Gemüt.

Alle Jahre wieder Glasperlen.

Demokratie – ich – geärgert.

Staatsorganisatorische Kompliziertheit,

kleinste unbekannte Teilchen schwirren und wirren und halten den großen Brocken in Räson.

Deutschland bist du noch mein Vaterland, Muttererde meine Heimat?

Wir werden noch Jahrzehnte studieren,

den Brocken begreifen, wenn er bricht.

Die deutsche politische Klasse stirbt vorerst in meinen Gedichten.

Euren!

Demokratie- die müssen alle lernen.

Demokratie- macht Arbeit.

Demokratie zerbricht an seinen Gegnern.

Die Splitter sind Demokratie.

Die Splitter erfinden ihren Binder.

Der Binder ist Demokratie.

Der Mensch achtet sich oder verschwindet dereinst im Universum,

dieses sich für Trottel nicht interessiert.

Nur Demokratie kann Raumschiffe bauen.

Was ist Demokratie?«

Melodie 3 »Vom lauten Schweigen« ( Georg Büchner gewidmet )

WR Stimme + Gesang

Text: » »Wir arme Leut. Sehn Sie ... Geld, Geld. Wer kein Geld hat. ... Unseins ist doch einmal unselig in der und der anderen Welt, ich glaube wenn wir in den Himmel kämen, so müssten wir donnern helfen.« »

Handlung + Erbsenlied: WR stellt einen Blecheimer hin, davor einen Stuhl, steigt auf den Stuhl, öffnet eine Tüte, holt eine Erbse heraus und lässt sie über dem Eimer auf den Eimer fallen, danach wird die ganze Tüte über dem Eimer entleert (möglichst so, dass man nicht damit rechnet), wieder vom Stuhl steigen (Szene beendet)

WR Stimme kräftig + Handlung (Faust zeigen und Hände in die Tasche)

» »Friede den Hütten – Krieg den Palästen«

Elend den Shoppingmals – Euros den Läden

Sozialstaat den Armen – Steuern den Reichen

Nahrung für Alle

Bildung für Alle

Wohnung für Alle

Gestaltungskapital als Grundrecht für Jeden

»Lirumlarum Löffelstiel, wer wenig hat, der braucht zu viel. Und beruhigen!«

(kurze Pause)

WR Gesang: GEO R G BÜ C H N ER«

Melodie 4 »Vom nie mehr Schweigen« (Wolfgang Borchert gewidmet)

Handlung: Rucksack umschnallen, ist Kuhglocke drin und verrosteter Soldatenhelm, an der Seite ein Schlüsselbund und einen alten Arbeitsschuh hab ich auch noch drin gehabt

WR Stimme kräftig :

» »Das ist unser Manifest«

von Wolfgang Borchert und für Wolfgang Borchert

»Helm ab Helm ab : – Wir haben verloren!

Die Kompanien sind auseinandergelaufen. Die Kompanien, Bataillone, Armeen.

Die großen Armeen.

Nur die Heere der Toten, die stehen noch. Stehen wie unübersehbare Wälder: dunkel, lila, voll Stimmen.

Die Kanonen aber liegen wie erfrorene Urtiere mit steifem Gebein. Lila vor Stahl und überrumpelter Wut.

Und die Helme, die rosten. Nehmt die verrosteten Helme ab: Wir haben verloren.

WR Handlung: Rucksack abschnallen, Helm raus und hinschmeißen, Glocke raus und hinschmeißen, Arbeitsschuh raus und hinschmeißen.

WR Stimme normal:

In unseren Kochgeschirren holen magere Kinder jetzt Milch.

Magere Milch.

Die Kinder sind lila vor Frost. Und die Milch ist lila vor Armut.

Wir werden nie mehr antreten auf einen Pfiff hin und Jawohl sagen auf ein Gebrüll.

Die Kanonen und die Feldwebel brüllen nicht mehr.

Wir werden weinen, scheißen und singen, wann wir wollen.

Aber das Lied von den brausenden Panzern und das Lied von dem Edelweiß werden wir niemals mehr singen.

Denn die Panzer und die Feldwebel brausen nicht mehr, und das Edelweiß, das ist verrottet unter dem blutigen Singsang.

Und kein General sagt mehr Du zu uns vor der Schlacht. Vor der furchtbaren Schlacht.

Wir werden nie mehr Sand in den Zähnen haben vor Angst.«

Jetzt gibt es ein Parlament das uns die Angst nimmt.

Da oben der Kanzler

Fernsehstar und holter die polter

Karrieristen

die haben die Welt entdeckt

Marsch Marsch, Distanzkrieg, Hindukusch

Über den Wolken, mal was runterschmeißen

Schöne Uniformen im Fernsehn

Patriotische Anzüge diskutieren über deinen patriotischen Tod

liebes Fräulein, Frau, Weib, Mama, Hure, Kanzlerin

Ihr seid da voll emanzipiert.

Deutschland hat abgewählt

Naja

Pöstchen im Sicherheitsrat,

Generalsekretär da, Anzug hier, Oberbefehl dort

Bundespräsident kann man auch noch werden

Frau Bundespräsidentin hat schon im Rock geschossen

Wenn die dir heute sagen zieh in den Krieg für Menschenrechte:

SAG NEIN

Wenn Die Dir heute sagen zieh in den Krieg, gegen den Terror:

SAG NEIN

Wenn Die Dir sagen schreib ein Lied für muntere Truppen,

SAG NEIN. ETC. ETC. USW.

Deutschland wird peu a peu wieder Kriegsmacht, kumpelhaft, eh sei kein Drückeberger, mit Europa. Tölpelhaft, schleierhaft, trickreich, leise, nebenbei, mit dem großen Bruder.

Weltmacht macht Macht, macht Macht Weltmacht Wie Was Wo.

Europa eine Erfolgsgeschichte, Jawohl. Der Deutsch erschießt nicht mehr den Franzos, der Franzos nicht den Hessen, der Hess ersticht keinen Polen. Gruppensex mit 27, 26.

Wir alle liegen auf Malorca, steigen in ein Flugzeug, hupsi flupsi in fünf sechs Stund schießen wir gemeinsam anderswo:

Da gibt es nur EINS:

SAG NEIN

SAGT NEIN, NO und NJET und Nixda, Rien ne va plus.«

Melodie 5 vom wir dürfen nicht Schweigen (Den Friedensbewegungen der Vereinigten Staaten von Amerika gewidmet)

Tape mit WR Stimme ( Inhalt: das bschschhhhhhhhhhhhh Lied mit Worteinschüben: Kollateralschaden, Terror Terror Terror, Rache, Weltpolizei, Demokratie, unser Gott, Menschenrechte, USA USA USA, ...)

Handlung: Die Kassette mit WR Stimme wird angemacht.

Während die Kassette abspielt, (etwa 5 Minuten) werden Kopien an das anwesende Publikum verteilt. Politischer Inhalt, Gesellschaftskritisches,

Dann bringe ich MN einen Klappstuhl und ein Getränk.

Dann setze ich mich selber und trinke einen Wein.

Wir hören die Aufnahme bis zuende an, und ruhen uns aus.

das Ende ist der Text:

FLUX FLUX, DADA DADA, AUF AUF AUF AUF

►4.Satz »Kleine Improvisation«

WR an der Flöte + MN an der Melodika (MN hat Münzen in der Tasche)

WR spielt Flöte in der Einleitung, etwas später übernimmt MN das Spielen an der Melodika, in unbestimmter Länge.

Handlung: WR plaziert während MN Melodika spielt einen Blecheimer in der Mitte des Raumes

Handlung: Wenn MN seine Münzen hineinschmeißt beginnt die Pause.

►5.Satz »Pausenmelodien oder wie Geld klingt im Blecheimer«

WR in freier Rede + Handlung

WR lädt das Publikum zum gemeinsamen Trinken und Zuprosten ein, erinnert an die

Geschäftstüchtigkeit der Musiker und fordert zum Spenden auf, alles hinein in den

Gageneimer. Es wird die Komposition zum Kauf angeboten. Es gibt 2 kopierte Exemplare die zusätzlich bearbeitet werden. Zweimal gleich. (Zeichnung, Blätter die in der 5. Melodie verteilt wurden. Der Preis ist 50,- €, nur heute. Die Pause wird etwa 15 Minuten dauern.

►6.Satz »Auftakt«

MN spielt Melodika etwa 10 Minuten freie Improvisation

MN fängt einfach an zu spielen und beendet somit die Pause, etwa 10 Minuten. WR hält sich bereit für den 7.Satz

►7.Satz »Völkerlied«

WR Gesang auf Mikro

Handlung: Während MN noch spielt zieht WR die Fechtmaske über, kniet nieder und befestigt das Mikro mit Tesaband an der Fechtmaske.

Text/Gesang: Völker hört die Signale (kurze Pause) AUF AUF auf auf

( In unbestimmter länge wiederholen und dabei die Abstände zwischen dem Text gefühlsmäßig verkürzen, etwa 3 – 5 Minuten )

►8.Satz »Zwischenspiel«

Handlung: WR entfernt seine Fechtmaske

MN Musik: Währenddessen fängt MN auf der Melodika an zu spielen. Etwa 5 Minuten

►9.Satz »Finale«

MN an der Melodika + WR am Blecheimer und später an der Melodika 2

Musik: Während MN noch die letzten Töne aus Satz 8 spielt durchschreitet WR mit dem Blecheimer den Raum und bringt diesen zum klingenden Vibrieren. Das Vibrieren des Blecheimers endet in einem stakkatoartigen Geräusch. WR spielt anschließend auf der Melodika 2 eine kurze Zeit. MN spielt weiter auf der Melodika und leitet über in den 10 Satz.

►10.Satz »Happeningstück mit Publikumsmusik«

MN an der Melodika

WR animiert situationsbezogen das Publikum zum mitmachen. (Hat hier an diesem Abend sehr gut funktioniert, wir waren glücklich wie in einem Garten, als Kinder spielend.)